„Wissenschaftler entdecken hochwirksames Medikament“.
Welche Assoziationen löst diese Schlagzeile bei Ihnen aus? Denken Sie vielleicht an Männer in weißen Kitteln, die in Laboren und angewandten Versuchsreihen neue Medikamente entwickeln? Vielleicht denken Sie aber auch an Forscherinnen, da Sie diesen Text in der Rubrik „Geschlechtergerechte Sprache“ lesen. Aber wären Frauen in Ihren Gedanken auch dann aufgetaucht, wenn Sie diese Schlagzeile in einer Tageszeitung gelesen hätten? Vermutlich nicht. Wissenschaftlerinnen hätten Sie, verschiedenen Studien zufolge[1], in diesem Kontext nicht mitgedacht – und das aus einem guten Grund: Unser Gehirn unterscheidet nicht automatisch zwischen dem Genus (dem grammatikalischen Geschlecht) und dem Sexus (dem biologischen Geschlecht). Das führt dazu, dass durch den Gebrauch von sogenannten generischen Formulierungen Ungenauigkeiten bezüglich des Redegegenstandes entstehen.
Das oben genannte Beispiel verdeutlicht, dass durch die Verwendung des generischen Maskulinums („die Wissenschaftler“) nicht alle Geschlechter mitgedacht werden. Formulierungen in generischen Formen eignen sich nicht dazu, die Realität präzise abzubilden. Vielmehr geben sie ein unvollständiges oder sogar verfälschtes Bild der tatsächlichen Begebenheiten wieder und schreiben in der Regel stereotype und häufig antiquierte Vorstellungen geschlechtlicher Rollenbilder fort. Zwar sind Formulierungen im generischen Maskulinum die gebräuchlichere Form einer verallgemeinernden und einfach gehaltenen Sprache, doch auch die Verwendung des Femininums als generische Form birgt die Gefahr der Diskriminierung und Rollenzuschreibung. Eine Schlagzeile wie „Erzieherinnen streiken wieder“ klingt im ersten Moment nicht ungewöhnlich, da ein Großteil der erzieherischen Berufe von Frauen ausgeführt wird, sie klammert aber durch die generische Formulierung die männlichen Erzieher systematisch aus. So wird die Vorstellung des Erzieher*innen-Berufes als rein weibliches Tätigkeitsfeld verfestigt. Menschen die sich nicht den binären Kategorien Mann oder Frau zuordnen sind in der deutschen Sprache meist noch komplett unsichtbar
Wir sollten uns darüber bewusst sein, dass wir mit Sprache Realitäten beeinflussen können: Wir können durch sie bestehende Muster bestätigen und bewahren oder sie in Frage stellen und verändern. Sprache ist, genau wie unsere Welt, immer im Wandel und kontinuierlich fließen neue Worte in unseren Alltagswortschatz ein. Ebenso leicht wie wir ‚googeln‘ oder ‚im Netz surfen‘ sagen, können wir von Frauen, Männern und Personen ohne binäre geschlechtliche Zuordnung sprechen, wenn wir sensibel mit Sprache umgehen. Denn aus einem „Mitmeinen“ resultiert in althergebrachten Formulierungen nicht automatisch ein „Mitdenken“. Diese Tatsache zu ignorieren ist nicht mehr zeitgemäß. Eine exakte und diskriminierungsfreie Sprache hilft dabei, nicht nur einen Teilbereich unserer Realität abzubilden; sie erfasst alle Facetten gleichermaßen.
Die geschlechtergerechte Sprache ist seit 1999 mit § 4 des Landesgleichstellungsgesetzes NRW für den öffentlichen Dienst in NRW vorgeschrieben und wurde mit der Novellierung des Gesetzes 2016 in § 5 neu gefasst:
„Gesetze und andere Rechtsvorschriften tragen sprachlich der Gleichstellung von Frauen und Männern Rechnung. In der internen wie externen dienstlichen Kommunikation ist die sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern zu beachten. In Vordrucken sind geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen zu verwenden. Sofern diese nicht gefunden werden können, sind die weibliche und die männliche Sprachform zu verwenden.“
Universitäten sind demnach gesetzlich dazu verpflichtet, in jeder schriftlichen Korrespondenz und allen schriftlich fixierten Formalien eine geschlechtergerechte Sprache zu verwenden. Dies gilt auch für die Gestaltung von Webseiten oder anderen Materialien der Öffentlichkeitsarbeit. Doch auch im Bereich der Lehre und der informellen Kommunikation sollten Sie aus den oben angeführten Gründen Wert auf eine geschlechtergerechte und folglich exakte und dem universitären Umfeld angemessene Sprache legen.
Seit dem 22. Dezember 2018 besteht für Personen die sich weder in die Kategorie weiblich noch männlich einordnen die Möglichkeit, den positiven Geschlechtseintrag divers im Personenstandsregister eintragen zu lassen (PStG: §.-22, Abs. 3). Das Landesgleichstellungsgesetz bietet momentan noch keinen expliziten Schutz für Menschen außerhalb binärer Geschlechter. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz regelt jedoch, dass Stellenausschreibungen auch explizit an diverse Personen gerichtet sein müssen, wenigstens mit dem Zusatz (m/w/d) in der Stellenbezeichnung.
Da diverse Personen in dem Gesetzestext nicht miterwähnt werden, ist es umso wichtiger sie in der alltäglichen Sprache hervorzuheben und ihre Marginalisierung nicht weiter zu verstärken. Eine Möglichkeit hierzu bietet die Verwendung des Gender*Sterns.
[1] Vgl. zusammenfassend Dagmar Stahlberg, Sabine Sczesny: Effekte des generischen Maskulinums und alternativer Sprachformen auf den gedanklichen Einbezug von Frauen. In: Psychologische Rundschau, 52 (3), S. 131-144, Göttingen: 2001.